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Die spirituelle Ebene im Fasten

Ich bin gerade dabei mich als Kursleiter auf eine "Fastenwoche in Stille" im Lassalle-Haus vorzubereiten. Dabei gehen mir verschiedene Gedanken durch den Kopf mit vielen Mosaiksteinchen, dir mir aus spiritueller Sicht als wichtig erscheinen und die ich im Kurs thematisieren möchte. So kam ich auf die Frage, wie wichtig ist eigentlich ein roter Faden bei der spirituellen Begleitung und wie kann so ein roter Faden aussehen. Heute am Freitag wachte ich mit einer tiefen Ruhe und in einer sehr zufriedenen Stimmung auf und aus dieser Stimmung kamen mir dann folgende Leitfragen in den Sinn:

  1. Der Körper erneuert sich im Fasten! Wie erneuert sich dann meine Spiritualität oder mein Seelenleben?
  2. Was passiert beim Fasten auf der Ebene der Spiritualität?
  3. Was benötigen die Teilnehmer:innen im Fastenverlauf in der spirituellen Begleitung?
  4. Und wie sieht dann eine gute spirituelle Begleitung aus?
  5. Wie wichtig ist ein roter Faden bei der spirituellen Begleitung.
  6. Bei den Teilnehmer:innen werden die einen eine christlich orientierte Praxis pflegen (Kontemplation, Exerzitien) oder den Zen-Weg gehen (Zazen Meditation) oder "weder-noch" orientiert sein. Wie gestalte ich als KL eine spirituelle Begleitung, indem ich alle 3 Richtungen anspreche ohne eine der Richtungen zu verwässern?

Als nächstes nahm ich mir eine Frage nach der anderen vor und schrieb auf kleine DIN A6 Zettel, was mir dazu so spontan in den Sinn kam. Hier die Antworten, wie sie auftauchten.
Der Körper erneuert sich im Fasten! Wie erneuert sich dann meine Spiritualität oder mein Seelenleben?
Die Überlegung bei dieser Frage war, was passiert auf der körperlichen Ebene beim Fasten, welche gut erforscht und bekannt ist, und wie sieht es gleichgestellt (analog) auf der spirituellen Ebene aus? Hier die Parallelen, die mir in den Sinn kamen:
  1. Körper: keine feste Nahrung, keine Genussmittel -> Geist: Anregungen/Aufregungen von Aussen reduzieren oder vermeiden. TV, Handy, Social media, E-Mails reduzieren.
  2. Körper: keine Genussmittel -> Geist: Kriminalroname, Horrorgeschichten nicht lesen. "Ekstase, Rausch meiden" fiel mir hier noch ein.
  3. Körper: Obstsäfte, Brühe, Tees trinken -> Geist: ein gutes Buch lesen, Tagebuch schreiben, reflektieren, Raum für Kreativität schaffen
  4. Körper: Glaubern -> Geist: Einzug ins Kloster. Gewohnte Umgebung mit den vielen Triggern der Gewohnheitsenergien verlassen.
  5. Körper: Einlauf -> Geist: Reflektieren, inwieweit ich "TV, Handy, Social Media, E-Mails" im Griff habe oder ob sie mich noch im Griff haben? Muss ich etwas ändern?
  6. Körper: Bewegung, Wandern -> Geist: Mit allen Sinnen (Sehen, Hören, Riechen etc.) in der Natur sein. Sitz-Meditation. Gehmeditation.
  7. Körper: Ruhe -> Geist: In sich ruhen, Zufriedenheit mit sich und der Welt fördern, den Einklang-mit-ALLEM anstreben.   

Was passiert beim Fasten auf der Ebene der Spiritualität?
Wir können die Reaktionen des Körpers im Fasten sehr gut messen und so Aussagen zum Blutzuckerspiegel oder Blutdruck machen. Auf der Ebene der Spiritualität können mit Hilfe von Strommessungen im Gehirn ebenfalls wissenschaftliche Aussagen abgeleitet werden. Hier gibt es im Bereich Fasten so weit ich weiss nichts. Und vielleicht ist dies auch gut so. Spiritualität ist eine persönliche Erfahrung, die jeder selber machen muss. Es gibt zwar Anregungen von aussen, aber machen und erfahren kann ein jeder es nur durch sich selber. Beispiel: Wie schmeckt eine Himbeere? Köstlich! Genauer: hier nimm diese und schmecke sie (Anregung). Er/sie nimmt die Himbeere und schmeckt sie. Sie ist ja mehr als köstlich! (Erfahrung).

Also hier bleibt uns nur unsere eigene Erfahrung als Quelle, um diese Frage zu beantworten. Und als Autor bleibt mir hier nichts weiter übrig, als meine eigenen Erfahrungen niederzuschreiben. Sie sehen so aus:
  • Ich werde ruhiger, gelassener und ausgeglichener.
  • Es findet eine Öffnung statt. Ich kann besser zuhören. Werde emphatischer.  
  • Ich habe kreative Phasen.
  • Erkenne Verhaltensmuster bei mir. Öffnet meine Augen und ich überlege mir Änderungen.
  • Ich sehe Fehler bei mir, die ich jetzt lieber löschen möchte oder lieber anderns gemacht hätte.
  • Fasse neue Vorsätze.
  • Bin gesammelt und entschlossen etwas Neues ins Leben zu bringen.
  • Empfinde Liebe und Zugehörigkeit, Verbundenheit.
  • Spüre tiefen inneren Frieden.

Was benötigen die Teilnehmer:innen im Fastenverlauf in der spirituellen Begleitung?
Eigentlich nicht viel - das Fasten schafft per se eine Atmosphäre, in der spirituelle Erfahrungen gefördert und erlebbar werden. Halt: vorausgesetzt die Bedingungen stimmen. Dazu gehören
  • ein liebevoller und harmonische Umgang untereinander
  • eine Tagesstruktur, die den TN trägt und spirituelle Erfahrungen fördert
  • Schweigen und Stille über den Tag, abwechselnd mit kurzen Unterbrechungen des Schweigens bei Vorträgen und Austauschrunden, Einzelgesprächen.  
  • Nach Austauschrunden die Gruppe wieder ins Schweigen begleiten durch Atemübungen, kurzem Innehalten etc.
  • Beim Austausch "Argumentationen" vermeiden. Argumentationen sind starke Ausdrücke auf der dualen Ebenen mit Verhaftung an "dies ist richtig und das ist falsch". "Und ich habe Recht."
  • Es geht ums Schmecken der Himbeeren und dies muss ich selber herausfinden! Für Richtig und Falsch haben wir Lexika.
  • Sorgenfreiheit durch Beunruhigungen von Aussen. Der TN kann sich darauf verlassen, dass das Notwendige stets zur rechten Zeit zur Verfügung steht.

Und wie sieht dann eine gute spirituelle Begleitung aus?
  • Spirituelle Impulse am Beginn der Meditationen, vor der Gehmeditation. Samen sähen im Sinne, wie es Thich Nhat Hanh versteht.
  • Kurze spirituelle Vorträge (10 - 15 Min.). Aufbauende Texte vorlesen.
  • Aufmerksames Zuhören. Zeit haben. Verfügbar sein.
  • Sinnvoll erscheint mir, neben der Sprechstunde für körperliche Befindlichkeiten, auch eine Besprechungsmöglichkeit für spirituelle Fragen den TN anzubieten.

Wie wichtig ist ein roter Faden bei der spirituellen Begleitung im Fasten?
Wir Menschen lieben rote Fäden, es gibt uns Orientierung, wir fühlen uns wohl, da wir wissen was kommen wird, wir sehen im Faden auch den Sinn.
Ein roter Faden hilft in Kursen, Projekten, im Leben. Auf der anderen Seite bindet mich der rote Faden. Ich folge jetzt einer Idee, die bereits veraltet ist.
Je neu, Tag, Stunde, Moment auf das Neue reagieren zu können, dies ist wichtig und das spontanes Wirken Gottes oder der Selbstnatur.
Fazit: der rote Faden gibt Orientierung und Halt, gleichzeitig bleibe ich spontan und gestalte Impulse immer wieder neu und lebendig. Je Moment, je Moment.

Wie gestalte ich eine spirituelle Begleitung unter Berücksichtigung verschiedener religiöser Ausrichtungen (Wege)?
Im Grunde gibt es keine buddhistische oder christliche oder "weder-noch" Spiritualität! Mit Gott vereint oder im Einssein mit ALLEM gibt es keine Unterschiede mehr. Nichts lässt sich separieren, abspalten oder unterscheiden. Dieses Einssein kann nicht von unseren Sinnen erfasst werden, sie täuschen uns nur. Ich erfasse dies nur, indem ich einen Geist hervorbringe, der nicht mehr von meinen Vorurteilen, Vorlieben, Aversionen und subtilen Anhaftungen bedeckt ist. In einer Analogie stehen die verschiedenen Religionen für die vielen, bunten Fenster in einer Kirche. Das was erfahren wird, ist also das Innere der Kirche und dieses Innere ist für alle gleich und ununterscheidbar. Ja, so finden wir zusammen.

Aber Halt: da sind die vielen Begriffe, wie zum Beispiel Dharma oder Samsara im Zen oder Erlösung, Sünde oder Erzengel in der christlichen Sprache. Menschen überlagern Worte oft mit Bedeutungen und setzen feste Anker. Fällt so ein Wort, wird der Sprecher und seine Aussagen in Schubladen gesteckt. Wir erleben dies gerade in der Genderdiskussion. Worte haben Macht und bewirken etwas bei den Zuhörern. Damit ist die Wortwahl relevant.  

Fazit für mich als KL:
  • In der spirituellen Begleitung spreche ich alle an, egal welchen Weg sie heute praktizieren.
  • Dazu verwende ich eine Sprache, die in der Lage ist, die Teilnehmer:innen zu inspirieren und zu begleiten.
  • Ich spreche das gemeinsame Fundament an, siehe oben die Kirchenfenster-Analogie.
  • ich wähle buddhistische und christliche Zitate im Wechsel, die ich vortrage.
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