Rolle des Zen-Assistenten
In einem Sesshin, der einwöchigen Trainingsperiode im Zazen, sind Assistentinnen und Assistenten engagiert und sorgen für eine geordnete und ruhige Atmosphäre und helfen mit, dass es den Zen-Praktizierenden gut gelingt, in eine tiefe Sammlung zu kommen. Für die Zen-Meditation in der Gruppe gibt es eine Reihe von Ritualen und Vorschriften, wie zum Beispiel das Betreten und Verlassen des Zendos. All diese Vorschriften bezeichnen wir auch als Struktur und diese hilft gut Zazen praktizieren zu können.
Wir sind weit davon entfernt, dies als einen Befehl zu verstehen oder als Einschränkung der Freiheit. Die Assistenten sind sich bewusst, dass die Assistenz eine dienende Rolle ist. Diese Rollen werden in Achtsamkeit und fokussiert ausgeführt. Assistenten sind sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst. Im November 2024 gibt es im Lassalle-Haus ein Training für Assistenten/innen. In diesem Vortrag erzähle ich etwas von meinen eigenen Erfahrungen in dieser Rolle, gehe auf die grundlegende Haltung und sowie die Vorbildfunktion ein.
Geist und Haltung
Die geistige Haltung bei der Assistenz ist entscheidend und wichtigste Voraussetzung, diese Rollen gut auszuführen. Dass Fehler passieren ist menschlich, dass ein Ton beim Ansingen eines Sutra nicht ganz stimmig ist, passiert auch und für Beides gilt "Übung macht den Meister".
Um dies zu verdeutlichen erzähle ich euch von einem Erlebnis als junger Mann von meinem Karate-Training. In meiner Heimatstadt wurde ein solches Training im Jahre 1973 von zwei Trainern geleitet, die sich Vieles selbst beigebracht hatten. Mit anderen Worten, sie waren selber noch am Anfang ihrer Übung. So passierte es, dass eines Tages ein Teilnehmer mit einem braunen Gürtel auftauchte. Damit war er höher qualifiziert und er bot sich an, uns zu trainieren. Dies wurde von allen angenommen, da wir gerne von anderen lernen wollten. Nach kurzer Zeit spürte jeder von uns, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Seine Methoden waren überhart und komisch streng. Er beherrschte körperlich die Karate-Techniken und war kräftig. Aber er verfügte nicht über die geistige Haltung eines guten Karate-Trainers. Wahrscheinlich hatte er Freude, anderen Befehle zu geben und freute sich wohl auch an dieser Macht. Zum Glück nahm einer der beiden Trainer sein Herz in die Hand und sagte ihm im Übungsraum bei Anwesenheit aller, dass wir nicht mehr an seiner Tätigkeit interessiert seinen. In der Luft lag dabei ein Gemisch aus Aggressivität aber auch ein Gefühl der Befreiung. Der Schritt war richtig. Karate ist übrigens eines der japanischen Künste, die sich von der Strenge und Disziplin des Zen inspirieren liessen.
Aspekt Disziplin
Wie wir im Karate-Beispiel gesehen haben, braucht es nicht irgendeine Disziplin, sondern eine liebevolle und fürsorgliche Strenge. Eine Haltung des Assistenten/in, die frei ist von persönlichen oder egoistisch-psychischen Zielen. Mit anderen Worten, der Zen-Assistent ist bereits fortgeschritten in der Zen-Schulung und sein Zen-Lehrer/in hat dies auch bestätigt.
Wie ihr wisst geht es im Zen darum, dass wir uns selbst (mit all unseren Meinungen und unserer Ich-Vorstellung) vergessen und uns in ALLEM anderen wiederkennen. Dogen sagt es so: "Körper und Geist sind abgefallen". Bodhidharma sass viele Jahre mit dem Gesicht zur Wand, um diese Erfahrung machen zu dürfen. Zen praktizieren heisst also, sich ganz gar auf die Praxis einzulassen. Und dies erfordert unseren ganzen Einsatz. Nach Ansicht der Zen-Meister braucht es dazu die entsprechende Disziplin.
Dogen beschreibt diese Disziplin im Kapitel "Senjo" (Regeln für die Toilette) folgendermassen:
„Nimm ein Handtuch, falte es zur Hälfte und lege es auf deine linke Schulter. Wenn du an der Toilette ankommst, lege das Handtuch auf die Bambusstange neben der Toilette. Trägst du eine spezielle Unterkleidung, lege sie neben das Handtuch auf die Stange. Vergewissere dich, dass es nicht hinunterrutscht. Werfe es niemals in achtloser Weise auf die Stange ...".
Es gibt auch weitere erzieherische Bestimmungen:
"Man darf keinen Tropfen Wasser beim Waschen vergeuden; damit wird der Wert des Wassers vermittelt, das nach den Worten Dogens nichts anderes ist als das Leben Buddhas. Oder: In der Toilette darf man nie schwatzen, damit die intensive Schau nach innen ohne Nachlassen weiter ausgeübt wird. Diese Intensität sollte auch beim Aufhängen des Handtuchs und der Kutte beibehalten werden".
"Man darf keinen Tropfen Wasser beim Waschen vergeuden; damit wird der Wert des Wassers vermittelt, das nach den Worten Dogens nichts anderes ist als das Leben Buddhas. Oder: In der Toilette darf man nie schwatzen, damit die intensive Schau nach innen ohne Nachlassen weiter ausgeübt wird. Diese Intensität sollte auch beim Aufhängen des Handtuchs und der Kutte beibehalten werden".
Diese Regeln und diese Disziplin entstammen der japanischen Kultur und sind sicher gut überlegt und nicht zufällig gewählt. Ich glaube, dass wir nicht alles ungefragt übernehmen sollten, sonder auch unsere Kultur und unser Verständnis mit einfliessen lassen sollten. Auf der anderen Seite verfügt die traditionellen Disziplin über einen hohen Wert, den wir zumindest nicht unserer Bequemlichkeit halber opfern sollten.
Als Zen-Assistent/in trägt du dazu bei, diesen Standard am Leben zu halten, zu bewahren, damit andere davon profitieren können. Beteilige dich bitte auch mit deiner Meinung, wie eine gute westliche Assistenz sich verändern darf.
Aspekt Samu
Unter dem Begriff Samu verstehen wir das achtsame Ausführen der alltäglichen Tätigkeiten, wie zum Beispiel abwaschen, Essen zuzubereiten oder das essen selber. Im Samu sind wir ganz anwesend, schenken dem Moment unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Wir sind ganz und gar bei der Sache. Ihr kennt dies aus den Sesshin bestens, eine 1/2 Stunde pro Tag helfen die Teilnehmer im Lassalle-Haus mit und üben sich darin, die Meditation im Alltag fortzuführen.
Die Assistenz ist für mich genau dieses Samu. Bei der Haltungskorrektur mit dem Kyosaku bewege ich mich leise und unaufgeregt im Zendo. Passiert mir ein Fehler nehme ich dies bewusst wahr und führe achtsam den nächsten Schritt aus. Eine Entschuldigung oder ein körperlicher Ausdruck der Verlegenheit ist fehl am Platz. Klangschalen und Hölzer sind Musikinstrumente und ich als Assistent/in bin der Musiker.
Aspekt Vorbild
Als Assistent/in hast du eine Vorbildfunktion. Die Teilnehmer hören deine Gongschläge, spüren den Kyosaku an ihrem Rücken und nehmen wahr, ob du das Schweigen auch in der Cafeteria oder im Vorraum einhälst. Treffen sie dich lesend am Bücherregal an, so ist es für sie ein Zeichen, dass Lesen im öffentlichen Raum ok ist.
Dank
Die Rolle der Assistenz ist relevant und tragend in der Zazen Übung in der Gruppe. Der Zen-Lehrer oder die Lehrerin ist tagsüber öfter nicht im Zendo anwesend, sei es wegen des Dokusans oder anderer organisatorischer Aufgaben. Ihr bekommt vieles mit und könnt in der abendlichen Austauschrunde eure Beobachtungen mitteilen. So können notwendige Korrekturen erkannt und umgesetzt werden.
Für euren Einsatz bedanke ich mich im Namen aller Zen-Lehrenden.
Gassho
Klaus-Peter
Klaus-Peter Wichmann (Hoshi)
03. November 2024
kp-wichmann@parami.ch
parami.ch